Greenbashing auf der Kirchweih

„Der Populismus tanzt auf dem Kirwaumzug – eine Zeitdiagnose aus der bayerischen Provinz

Vor ein paar Wochen fand in der bayerischen Provinz, im kleinen ostbayerischen Städtchen Erbendorf die Kirchweih statt. In Bayern verbunden mit einem Kirwaumzug, welcher der traditionellen Selbstverständigung dient, eine Feier der Tradition darstellt, und auf den verschiedenen Kirwawägen (vgl. Rosenmontag am Rhein) die Politik derbleckt (auf die Schippe nimmt). Laut Rathaus war der Kirwaumzug das Highlight der Kirchweihtage, unterschlagener Tiefpunkt der Veranstaltung war der Kirwawagen mit dem Galgenstrick für die Grünen. In Erbendorf selber fand sich auch im Schaufenster eines Ladens der Hinweis, Grüne und ihre Symphatisanten werden nicht bedient. Dieses widerliche Bild auf dem Kirwaumzug und die ressiment-geladene Atmosphäre in Erbendorf sind ein treffendes Symbol für die politische Gegenwart. Die Ereignisse in der bayerischen Provinz machen die Gefährdungen der Demokratie sichtbar macht, befördern die Polarisierung in der Bevölkerung, offenbaren die rechte Diskursverschiebung und erörtern Gewalt als ein Mittel (ist das schon Volksverhetzung?). Die zentrale Botschaft aus Erbendorf ist, wir können mit den Grünen nix anfangen, wir wollen sie loshaben, „aus dem Land jagen“, wie es auf dem Transparent zu lesen war. Wie lässt sich dieser Tiefpunkt der politischen Kultur erklären, der hier beispielhaft sichtbar wird?

Das verbreite Ziel der Anfeindung im bayerischen Wahlkampf waren die Grünen. Söder sprach von der schlechtesten Regierung aller Zeiten, behauptete, die Grünen wollen Fleisch, Mama und Werbung verbieten. Aiwanger wollte sich die Demokratie von der Ampelkoalition zurückholen, von den Leuten in Berlin, die den Arsch offen haben. In den Chor stimmte auch Sarah Wagenknecht ein, die linke Ikone mit rechtspopulistischem Augenaufschlag, die von den Grünen als der gefährlichsten Partei spricht, Lifestyle Linke im Genderwahn und mit Lastenfahrrad identifiziert. Diese populistische Grünen-Hetze ist der fruchtbare Boden für die schändliche Aktion an dieser Kirwa. Zur Erinnerung: Das zentrale Thema im Wahlkampf von CSU, FW und AfD bestand in einer populistischen Kritik einer angenommen grünen Verbotspolitik – „das Schnitzel vom Teller nehmen, Heizungsverbot, Insekten essen statt Fleisch, Verbot von Werbung für Süßigkeiten“.

Realität ist, der Klimawandel ist da, wie im Weltklimabericht zu lesen ist, der den Forschungsstand tausender Klima-Studien aus aller Welt zusammenfasst. Auch die extremen Wettereignisse in diesem Jahr sollten allen präsent sein: Die globalen Luft- und Wassertemperaturen waren so hoch wie nie zuvor, lange Hitze- und Dürrephasen in Südeuropa (Spanien, Griechenland), Überschwemmungen in Griechenland, Pakistan, Slowenien usf. Nie zuvor haben Hitzerekorde und Waldbrände ein solches Ausmaß erreicht wie 2023. Die Wissenschaft ist weltweit einig: die Politik muss entschieden handeln, um das 1,5 Grad Ziel einhalten zu können.

Auf der politischen Bühne sehen wir nun die Grünen, die ehrgeizige Ziele hinsichtlich des Klimawandels verfolgen, aber bisher in der Umsetzung handwerklich und kommunikativ eher schlecht arbeiteten. Auch unterbelichtet im politischen Handeln der Ampel ist, dass die Klimafrage nur gleichzeitig mit der sozialen Frage gelöst werden kann, die durch die CO2 Bepreisung verursachte Erhöhung von Energie- und Benzinkosten über das Klimageld sozial ausgeglichen werden muss. Die kleinen Leute dürfen nicht für den ökologischen Fußabdruck der Reichen zahlen. Bisher Arbeitsverweigerung der Ampel an dieser Stelle, zu wenig wird reflektiert, dass die ökologische Zukunft im Heizungskeller eng mit der sozialen Frage verbunden ist.

Eine Rolle spielt auch die Situation in der Ampel. Die FDP hat an Zustimmung bei der Bevölkerung deutlich eingebüßt, diverse Landtagswahlen verloren und macht nun auf Opposition, um für Wähler*innen attraktiv zu sein. Sie kann mit ökologischer Politik keinen Blumentopf gewinnen, trägt Technologieoffenheit als Mantra der Erlösung vor sich her und legt sich deshalb für Porschefahrer und Verbrennermotor ins Zeug, setzt E-Fuel durch, damit der röhrende Auspuff weithin einen statusgemäßen Sound ermöglicht und auf Autobahnen kein Tempolimit die  freie Fahrt für freie Bürger bremst.

Hinzukommt die psychische Befindlichkeit der Bevölkerung: Corona, Ukrainekrieg, Inflation, Energiekrise haben zu einer Erschöpfung in der Bevölkerung geführt, die Sehnsucht nach Normalität ist verbreitet. Es soll so sein wie früher – mit einer starken deutschen Mark, einem mächtigen Nationalstaat ohne Europafesseln, eine Welt ohne Gendersternchen und queeren Identitäten. Wie früher – als die Deutschen noch einen weltmeisterlichen Fussball spielten und die die besten Autos bauten. Und nun sprechen die Grünen die Wahrheit aus, machen klar, das Land müsse sich ändern, vermitteln, dass der Weg in die ökologische Zukunft mit Kosten verbunden sei. Das wird als Zumutung erlebt, als eine Einengung der eigenen Freiheit, deshalb werden die Augen verschlossen und die Ohren zugehalten und mit Empörung reagiert. Der Wunsch nach dem Leben von Gestern ist groß und die CDU/CSU, die Freien Wähler, die AfD und Sahra Wagenknecht verteilen Beruhigungspillen, mit dem Beipackzettel, es kann so bleiben wie bisher. Ihre Utopie ist das Gestern, Wut und Groll sind der Antrieb. Es gibt eine starke Sehnsucht nach einer Gesellschaft von früher –  mit einem klaren Bild von Mann und Frau, dem Golf GTI als jugendlichem Statussymbol  auf dem Land und einen Alltag ohne die fremden Menschen auf der Straße, die für den Wohlstandverlust und die Wohnungsknappheit verantwortlich sind, sich  beim Zahnarzt ihre Zähne machen lassen, während  die Deutschen keine Termine erhalten. Früher gab es mehr Zukunft.

Noch ein Aspekt ist hervorzuheben, die Wähleranalysen zeigen einen deutlichen Unterschied zwischen Stadt und Land – in den Zentren der Städte dominieren grüne Wähler*innen, während auf dem Land eine Rechtsdrift immer sichtbarer wird. Eine Mehrheit der Bauern ist ablehnend gegenüber dem Klimaschutz, weil er Geld kosten könnte, wenn sie zum Beispiel nicht mehr so viele Tier halten dürfen und das Düngen reduzieren müssen. Dass das Verbrennen von Diesel und Heizöl die Erde erhitzt, ist weitgehend akzeptiert. Bestritten wird von Teilen der konventionellen Bauerverbände, dass die hohe Nitratbelastung vom Düngen kommt, die Tierhaltung die Erderhitzung antreibt und das Insektensterben mit der Landwirtschaft zu tun hat. Die Wissenschaft ist eindeutig – die aktuell praktizierte Landwirtschaft ist negativ für Klima, Tiere und Natur. Das Gestern ist nicht die Zukunft.

Die Saat des rechtspopulistischen Wahlkampfs von Söder, Aiwanger und AfD ist aufgegangen und offenbart im Erbendorfer Kirwaumzug seine hässliche, demokratiefeindliche Seite. Die den Umzug veranstaltenden Kirwabuam müssen aber damit rechnen, dass sie in einem Geschichtsbuch des Jahres 2050 auftauchen und ihre Aktion als ein Beispiel für einen Traktor beschrieben wird, der sich auf dem Holzweg befand und sich im rechten Gestrüpp der Vergangenheit verhedderte. Wie werden sie die Fragen ihrer Enkelkinder dann beantworten?“

Gerhard Wirner

Professor für Soziologie an der Evangelischen Hochschule in Nürnberg

 

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